11-01: «Aufbrechen statt erstarren», mit Cornelia Busenhart
Seit 2019 ist Cornelia Busenhart Mitglied des Kirchenrats der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Schaffhausen. Sie kam aus der Wirtschaft und übernahm das Ressort Kirchenentwicklung. «Aufbrechen statt erstarren – Kirche im Wandel der Zukunft» lautete der Titel ihres Vortrags.
Zuerst schilderte sie, wie sie zum Amt als Kirchenrätin kam: Sie hatte sich selber beim Kirchenrat gemeldet, als es eine Vakanz gab. Sie war schon lange kirchlich engagiert. «Kirche ist für mich sie ein Ort der Geborgenheit, Gemeinschaft und der Hoffnung und der Inspiration», bekannte sie vor den gut 60 Anwesenden.
Wie die Emmaus-Jünger aus dem Neuen Testament sei die Kirche zutiefst verunsichert auf dem Weg. Dabei hätte die Kirche allen Grund für Zuversicht: «Wir wissen: Jesus ist mit uns auf dem Weg». Die Emmaus-Jünger begegnen Christus – und sie gewinnen ein Gefühl der Verbundenheit. «Gott begleitet uns auch heute noch. Auch, wenn wir uns der Grenzen der Machbarkeit bewusst sind.»
Zuerst Vertrauen schaffen
Es gehe darum, Kirche neu zu denken. Busenhart schilderte, wie sie sich angesichts des «Blindflugs» der Kirchenentwicklung bewusst war, dass sie zuerst das Vertrauen der Menschen gewinnen musste. Aus der Wirtschaft habe sie gewusst, wie schwierig es ist, wenn Menschen in den Widerstand gehen. «Zuerst war also beziehungsorientiertes Handeln gefordert.»
Darum sei die wichtigste Botschaft den Kirchgemeinden gegenüber gewesen, dass sie Zeit und Mitsprache haben werden. Als erste Massnahmen seien für die folgende Legislaturperiode alle Pfarrstellen-Reduktionen sistiert worden. Zudem seien regionale Resonanzforen und Zukunftstage einberufen worden, damit möglichst viele Menschen mitwirken können.
Der Kirchenrat selber habe sich ein neues Wertesystem im Umgang mit den Kirchgemeinden gegeben: Jedes Mitglied des Kirchenrats sei für fünf bis sechs Kirchgemeinden zuständig und besuche jährlich eine Kirchenstand-Sitzung.
Speziell den kleinen Kirchgemeinden habe der Kirchenrat kommuniziert, dass er sich dafür einsetzen werde, dass sie weiterleben können und gleichzeitig habe er die Kirchgemeinden zu freiwilliger übergemeindlicher Zusammenarbeit motiviert. «Wir wollten keine Fusionen erzwingen. Die Kirchgemeinden bestimmen ihr Tempo selbst.» Das habe sich bewährt: «Widerstand ist in den letzten sieben Jahren gering gewesen.»
Vision vor Struktur
Cornelia Busenhart bezog sich auf Simon Sineks «Golden Circle» mit der Frage nach dem «Warum» im Zentrum, um zu erklären, was den Kirchenrat beschäftigte angesichts der Tatsache, dass im Kanton Schaffhausen bis 2027 zwei Drittel aller Pfarrpersonen pensioniert werden.
Das Visionsbild, das der Kirchenrat 2019 ausrief, war jenes des Gewächshauses. Die Kirche solle vital, bunt, stark und verbunden sein. Dafür wurde eine Kommission für Kirchenentwicklung geschaffen und ein Beraterpool eingerichtet. Vier Beraterinnen und Berater stehen den Kirchgemeinden zur Verfügung. Zudem fördere die Schaffhauser Kirche seither Pioniere mit einem Zukunftsfonds.
Das Mischpult-Konzept
Auf dem entstandenen Vertrauen und der Nähe zur Basis steht das Reformprojekt «Kirche für morgen». Dieses Projekt beruht auf Calvins Ämterlehre: Es soll in der Kirche verschiedene Dienste geben, die zusammenarbeiten. Arbeitsbereiche, die bisher zum Pfarramt gehörten, sollen auf andere Berufsgruppen übertragen werden. So sei etwa Koordination ein neues Berufsfeld. Das Bild für «Kirche für morgen» sei das Mischpult: Kirchgemeinden können in Eigenverantwortung die verschiedenen Aufgaben auf mehrere Angestellte mit unterschiedlichen Profilen verteilen. Jede Kirchgemeinde muss dabei mindestens 25 Stellenprozente für ein Basispfarramt reservieren.
Klar ist, dass sich die Rolle der Pfarrpersonen ändern wird. Das habe Skepsis hervorgerufen. Allerdings: Wenn Pfarrer vom Führen von Protokollen und Mitgliederdateien entlastet werden, habe das nur Vorteile: «Pfarrpersonen können sich künftig wieder stärker ihrem ursprünglichen Auftrag der theologischen Unterweisung widmen.»
Vakanz als Chance
Das Mischpult-Konzept könne kleinen Kirchgemeinden helfen angesichts dessen, dass sie vielleicht keine Pfarrperson mehr finden. «Eine Vakanz ist die Chance, das neue Modell auszuprobieren.» Noch weiss die Schaffhauser Kirche nicht, ob es langfristig funktioniert, wenn die Pfarrperson nicht mehr vor Ort wohnt, sondern wenn jemand anderes Ansprechperson ist. Die neuen flexibleren Aufgaben bieten auch die Gelegenheit, dass Menschen, die bisher nicht sehr kirchenverbunden waren, in die Kirchgemeinde hineinwachsen und sich dann für eine kirchliche Ausbildung entscheiden.
Die Schaffhauser Kirche hat die neue Aufgabe «Gemeindekoordination» geschaffen, die das Leben der Kirchgemeinde organisiert, die Öffentlichkeitsarbeit übernimmt und Projekte unterstützen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Menschen, die sich für diese Aufgabe gewinnen lassen, brauchen theologische und kirchliche Weiterbildung. Die Schaffhauser Kirche ist mit dem Reuss-Institut daran, passende Angebote zu schaffen. Dabei ist es ein Vorteil, dass die Schaffhauser Kirche mit 26’000 Mitgliedern eine kleine Kantonalkirche ist.
Der Vortrag ist als Podcast veröffentlicht worden, mit Bild und als Audio-Podcast. Im Nachgespräch zeigte sich Co-Host Anna Näf beeindruckt vom Kurs, den ihre Heimatkirche eingeschlagen hat. «Das tönt wirklich sehr sympathisch und es sieht aus, als wäre diese Kirche eine gute Arbeitgeberin.»
Kirchgemeinden sind zu gross
Nach dem Vortrag von Cornelia Busenhart berichtete Markus Weimer aus dem Evangelischen Dekanat Konstanz. Sein Vortrag kann nicht als Podcast veröffentlicht werden. Weimer sagte unter anderem, dass Kirchgemeinden nicht zu klein, sondern zu gross sind und er beschrieb, wie sich im Dekanat Konstanz das grosse Engagement für die Konfirmandenarbeit gelohnt hat: Die Zahl der Konfirmierten geht seit Jahren nach oben. «Die Zeit der Konfirmation ist die prägendste Zeit für den Glauben von Menschen.»
Dabei habe sich das Dekanat dafür entschieden, von der Christologie zur Missiologie und schliesslich zur Ekklesiologie zu gehen, sprich, einen inhaltlichen Weg zu gehen, bevor die Strukturen angefasst werden.
Nach dem Mittagessen wurden an der Tagung des Landeskirchen-Forums zum Thema «Freiwillige los-lassen» mehrere Workshops zum Gemeindebau angeboten. So konnten die Teilnehmenden in zwei Runden erfahren und erleben, was ein Gartengespräch ist, wie ein «feu sacré» geweckt werden kann oder wie man herausfindet, wo man sich am besten in der Kirchgemeinde engagieren kann.
Die ganze Episode kann man hier anschauen.
Wer in den Shownotes suchen will, findet sämtliche Shownotes auf einer Seite.
Kontakt mit den Hosts: aufwaerts-stolpern@ref-sh.ch
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