Aufwärts stolpern

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Der Podcast für die Kirchgemeinde mit Ambitionen

09-08: «Carsten Heyden, hat kirchlicher Unterricht eine Zukunft?»

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Carsten Heyden ist zuständig für die Weiterentwicklung der «kirchlichen Unterweisung» (KUW) der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso). Er ist nicht nur ausgebildeter Religionspädagoge, sondern Gemeindepädagoge. Und da wird es interessant. Er beschäftigt sich nämlich nicht nur mit dem kirchlichen Unterricht, sondern hat immer die ganze Kirchgemeinde im Blick. Er hat lange Jahre in Deutschland «vom Jugendkeller bis zur Trauerfeier, vom Sonntagsgottesdienst bis zur Sommerfahrt mit Jugendlichen» alles gemacht, wie er im Podcast «Aufwärts stolpern» erzählt.

Die Refbejuso beschäftigen sich seit 2016 mit neuen Formen der kirchlichen Unterweisung. Weil die Kirchgemeinden Mitsprache einforderten, lud die Kantonalkirche alle Kirchgemeinden ein, im Projekt mitzumachen. Seither ist Carsten Heyden mit 16 Dialoggemeinden unterwegs. Diese entwickeln mit ihm zusammen ein «passgenaues Konzept kirchlicher Arbeit mit jungen Menschen ihrer Kirchgemeinden», wie er es ausdrückt. Schnell hat er gemerkt, dass er die Verantwortlichen der Kirchgemeinden nicht in sein Büro einladen kann, sondern dass er in jede Kirchgemeinde fahren muss, um vor Ort mit den Zuständigen über ihre Kirchgemeinde zu reden.

Einzige Vorgabe: Alle arbeiten zusammen Gelernt hat er, dass die Unterschiede zwischen den Kirchgemeinden riesig sind. Sie hätten darum von der Kantonalkirche wenig Vorgaben gemacht. «Wir sagten den Kirchgemeinden: Wir geben euch nur Freiheiten vor», sagt Heyden. Die Kirchgemeinden sind frei, die Lektionenzahlen festzulegen oder die Inhalte und Formen neu zu definieren. «Die einige Vorgabe war: Entwickelt dieses Konzept in interprofessionellen Teams.» In vielen Kirchgemeinden hätten sich verschiedene Angestellte und Verantwortliche zum ersten Mal an einen Tisch gesetzt, um konzeptionell zusammenzuarbeiten, nicht nur, um sich im Konkreten abzusprechen. In vielen Kirchgemeinden gebe es sehr engagierte Menschen, nur hätten sie sich an vielen Orten noch nie Katechetinnen, Sozialdiakone und Pfarrerinnen zusammengesetzt, um gemeinsam über die Frage zu diskutieren: «Wie stellen wir uns eigentlich eine gelingende Arbeit mit jungen Menschen vor?»

Nun soll die Synode BeJuSo im Herbst beschliessen, dass die Kirchenordnung künftig nicht mehr konkrete Inhalte vorgibt. Sondern: «Die Kantonalkirche soll den Weg vorgeben, wie die Kirchgemeinden zu einem eigenen Konzept in der Arbeit mit jungen Menschen kommen», sagt Heyden.

Die Kirchgemeinden sollen ein Gesamtkonzept der kirchlichen Arbeit bis zur Konfirmation und darüber hinaus entwerfen. Die Zeit sei vorbei, in der Kinder selbstverständlich die kirchliche Unterweisung in der zweiten Klasse beginnen und mit der Konfirmation abschliessen.

Jugendliche zur Kirche hinauskonfirmieren

In Zukunft müssten alle Angebote der Kirchgemeinden im Jugendbereich in den Blick kommen, nicht nur der kirchliche Unterricht. Podcast-Co-Host Lukas Huber stellt die These zur Diskussion, dass er jene jungen Menschen aus der Kirche hinauskonfirmiere, die zum Zeitpunkt der Konfirmation nicht in einer Gruppe aktiv und in einem Gefäss der Kirchgemeinde beheimatet sind. «Dem kann ich nicht widersprechen», sagt Carsten Heyden. «Wenn es uns nicht gelungen ist, bis zur Konfirmation eine Beziehung aufzubauen und den jungen Menschen eine Chance zur Selbstwirksamkeit zu geben, dann war es im besten Fall eine gute Zeit, wenn sie sich von der Kirche verabschieden.»

Alle kirchliche Jugendangebote müssten Begegnungsanlässe sein, in denen junge Menschen kirchlich Engagierten begegnen, aber auch alten Texten aus der Bibel, aus der Tradition – und sich selbst.

Co-Host Anna Näf hat in ihrer Arbeit als Jugendarbeiterin beobachtet, dass sie zunehmend mit jungen Menschen in Kontakt kommt, die keinen kirchlichen Unterricht besucht haben. Carsten Heyden sagt dazu, dass das zum neuen Gesamtkonzept gehöre: Kirchgemeinden müssten den später Dazustossenden einen Vorschlag machen können, wie sie mit der Kirchgemeinde und den kirchlichen Inhalten in Kontakt kommen könnten. Dafür hätten die Dialoggemeinden unterschiedliche Lösungen erarbeitet.

Bei allem gilt: «Ich wehre mich an allen Ecken und Enden gegen die Idee einer ‹Best Practice› für alle», sagt Heyden. Die einzige «Best Practice», die er anbieten könne, sei ein Planungstool, mit dem Kirchgemeinden eine Lösung für ihren Ort finden können. Kirchgemeinden sollten ruhig viele Angebote anderer Kirchgemeinden anschauen, dann aber gut überlegen, welche Bedürfnisse vor Ort bestehen, was die Interessen der Engagierten sei und was auch den Angestellten Freude mache.

Eine Kirchgemeinde bestehe aus Einzelelementen, die miteinander verschränkt werden müssten, sagt Heyden. Wenn dann ein Gesamtkonzept entstehe, müssten unter Umständen Anstellungen angepasst werden. Die nötigen Veränderungen werde jede Kirchgemeinde im eigenen Tempo angehen müssen.

«Dabei fragt sich, was dann noch das Gemeinsame ist», sagt Carsten Heyden mit Blick auf die Gesamtkirche und antwortet gleich selber: «Das, was uns trägt: unser Glaube, unsere Texte, unsere Tradition».

Auf die Frage, was die gesunden Kirchgemeinden ausmachen, die ihm begegnet sind, sagt Carsten Heyden, «Es sind Kirchgemeinden, die eine offene, freie Haltung den Menschen gegenüber haben, denen sie begegnen.» Sie planen nicht einfach Angebote und laden dazu ein, sondern entwickeln ihre Arbeit mit den Menschen zusammen. «Sie sagen den Leuten: Schön dass du da bist, was wollen wir zusammen machen?»

Zum Schluss der Episode zeigt sich Carsten Heyden skeptisch in der Frage, ob die schulische Form von kirchlichem Unterricht langfristig eine Zukunft hat – im Unterschied zur Kirche als Ort, an dem existenzielle Glaubensfragen gestellt und beantwortet werden können.

Das Projekt «Zukunft der KUW».

Informationen zu Carsten Heyden.

Wer in den Shownotes suchen will, findet sämtliche Shownotes auf einer Seite.

Kontakt mit den Hosts: aufwaerts-stolpern@ref-sh.ch

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